Positionspapier der UBP Fraktion zur Drucks.-Nr. 82/2018

Baugebiet Gehrengasse / Netto-Markt

Richard Kramer
UBP Fraktionsvorsitzender

Vom Magistrat wurde der Stadtverordnetenversammlung vorgeschlagen, das Baugebiet Gehrengasse / Max-Planck-Str. nach Norden zu erweitern, um dem Netto-Markt eine Verlagerung auf ein größeres Gelände zu ermöglichen.

Es ist Konsens unter allen Fraktionen, dass eine Vergrößerung des Netto- Marktes eine sinnvolle Maßnahme ist, um die Nahversorgung der Bürger in Eschollbrücken und Hahn sicherzustellen. Bleibt die Frage offen, wie diese Maßnahme umgesetzt werden soll.

Als erste Variante schlug der Investor des Netto-Marktes vor, östlich der Eicher Straße, Richtung Autobahn, einen neuen Markt zu bauen. Diese Variante ließ sich nicht realisieren, da der Investor die Landeigentümer mit einem Angebot von 12€/m² brüskierte. Diese forderten daraufhin 70€/m². Die Preisvorstellungen lagen weit auseinander, sodass sich kein Kompromiss mehr finden ließ und die Verhandlungen in einem frühen Stadium abgebrochen wurden.

Daraufhin kam die aktuelle Variante in die Diskussion, weil sich nördlich der Gehrengasse / Max-Planck-Str. das Land einfacher „beschaffen“ lässt.


Bleibt die Frage: Ist das eine gute Variante?

Für die Beurteilung des Vorhabens sind verschiedene Gesichtspunkte zu betrachten:

  1. Sollte ein Markt auf potenziell gutem Wohnbauland oder eher auf Gelände gebaut werden, das externen Lärmquellen ausgesetzt ist?
    Der zuerst geplante Standort liegt deutlich näher zur Autobahn und ist für Wohnbebauung ungeeignet. Aus diesem Grund wurde dieses Gelände in einem früheren Entwurf des Flächennutzungsplanes als mögliche Gewerbefläche ausgewiesen (HA6). Dieses Gelände wurde jedoch abgeplant, um in der Pfungstädter Kernstadt mehr Gewerbefläche ausweisen zu können. Die aktuell in Planung befindliche Fläche liegt im Außenbereich und durchbricht die Arrondierung des Ortes nach Norden. Sollte die Fläche nördlich der Gehrengasse bebaut werden, könnte vom Heizkraftwerk bis zur Eicher Str. ein Bebauungsplan für Wohnnutzung erstellt werden. Ein dann bestehender Einkaufsmarkt wäre für die benachbarte Wohnnutzung definitiv störend. Die Ansiedlung des Netto-Marktes östlich der Eicher Str. hätte ferner den Vorteil, dass sie die Keimzelle für ein neues Gewerbegebiet bilden könnte. Zum Beispiel wäre es möglich die Fa. Öhlschläger aus der Obergasse dorthin umzusiedeln.
  2. Ist die Änderung des Bebauungsplans zwangsläufig notwendig?
    Die Verwaltung argumentiert in der Beschlussvorlage, dass für ein Mischgebiet eine 50% Wohnnutzung und 50% gewerbliche Nutzung vorgeschrieben sei. Diese Meinung teilt die Rechtsprechung nicht. Nach mehreren Gerichtsurteilen ist ein Ungleichgewicht bis zu 30% zu 70% in beide Richtungen zulässig. Zurzeit sind wir von einem „Kippen“ des Mischgebietes noch weit entfernt. Das gesamte Mischgebiet ist ca. 20.000m² groß, davon sind 10.000m² gewerblich genutzt. Anstatt das „alte“ Nettogelände vornehmlich für reine Wohnbebauung zu öffnen, präferieren wir dort eine gemischte Nutzung zur Unterstützung der lokalen Gewerbebetriebe. Es ist ebenfalls zulässig, Mischgebiete zu „zoniern“, d.h. ein Teil des Mischgebietes ist für Wohnbebauung vorgesehen und der andere Teil für gewerbliche Nutzung. Um die Lärmbelästigung der Wohnbebauung zu minimieren, ist es sinnvoll, die gesamt Fläche des Mischgebietes (incl. 6. Änderung des Bebauungsplanes und neuer Netto) entsprechend der Lärmbelastung durch Autobahn und die neue ICE-Strecke zu „zonieren“.

    • Der Netto-Markt ist am lärmunempfindlichsten und stellt selbst die größte Lärmquelle dar. Der LKW-Lieferverkehr an den Tagesrandzeiten mit dem zugehörigen Ladebetrieb verursacht erheblich Lärmbelastung. Deshalb sollte der Markt östlich der Eicher Str. auf der Seite der Autobahn angesiedelt werden.
    • Ein weiterer Grund für die Ansiedlung von Gewerbe auf der östlichen Seite der Eicher Str. liegt in der Pufferfunktion gegen den Verkehrslärm der Autobahn.
    • Es bietet sich an die Wohnbebauung an der Seite „Hinter der Kapelle“ zu planen. Dort ist der Abstand zur Autobahn am größten. Ein gleitender Übergang der Bebauungs- und Nutzungsarten ist uneingeschränkt möglich.
    In anderen Bereichen der Kernstadt (z. B. Seidel-Gelände in der Bahnhofstraße) tolerieren wir eine reine Wohnbebauung zu Lasten des Gewerbes. Das Argument der „Durchmischung“ wird bei dieser Nutzungsänderung nicht vorgebracht.

  3. Der Bereich nördlich der Gehrengasse könnte/sollte umfassend - unabhängig von der Erweiterung des Netto-Marktes- geplant werden. Dieses Areal grenzt im Westen an das Heizkraftwerk und im Osten an die Eicher Straße. Die Tiefe des Baugebietes in Richtung Norden ist noch festzulegen.
  4. Zwei Bemerkungen:
    • Gegenüber den Beschlüssen der Stadtverordnetenversammlung wird ein Gelände mit einem Bebauungsplan überzogen, welches nicht der Stadt gehört.
    • Es sollte bei dem neuen Netto-Markt im Grundbuch eine Klausel eingetragen werden, die bei einer geänderten Nutzung des Geländes eine Ausgleichsabgabe an die Stadt vorsieht. Dies wurde beim existierenden Nettogelände versäumt und ermöglicht nun die Wohnbebauung ohne die Infrastruktur mit zu finanzieren. Der Stadt entsteht hier ein Schaden von mindestens 100.000€.
Handlungsempfehlung:
  1. Der neue Netto-Markt wird im Gelände östlich der Eicher Str., Richtung Autobahn angesiedelt.
  2. Der Magistrat nimmt mit Landeigentümern östlich der Eicher Str. Kontakt auf und führt Kaufverhandlungen.
  3. Der Magistrat prüft den Kauf der optionierten Flächen westlich der Eicher Straße mit dem Ziel eine spätere Wohnbebauung zu ermöglichen.
  4. Die Fläche des jetzigen Netto-Marktes wird von der Beschränkung der reinen gewerblichen Nutzung ausgenommen. Die Nutzung für Gewerbetreibende mit zugehörigen Wohneinheiten ist anzustreben. Es ist zu prüfen, ob die Beschränkung auf maximal zwei Wohneinheiten des bestehenden Mischgebietes auf die Konversionsfläche „Netto“ übernommen werden soll.

Es ist Aufgabe der Politik die bestmögliche Lösung anzustreben und umzusetzen. Wir unterstützen keine Pläne oder Vorlagen, die wegen gescheiterter Kaufverhandlungen die berechtigten Interessen der Bürger aus dem Auge verlieren.